Süderoog
Wattwanderung der Hermann-Neuton-Paulsen-Schule nach Süderoog

In Gedenken an Hermann Neuton Paulsen, dessen Namen unsere Schule würdevoll trägt, sollte auch in diesem Schuljahr unsere traditionelle Wattwanderung nach Süderoog stattfinden. Am 5. September war es dann endlich soweit! Ganz nach Paulsens Motto „Vorwärts mit frischer Brise“ trafen sich alle Teilnehmer, insgesamt 64 Schüler und Schülerinnen der dritten bis zehnten Klassen und zehn Lehrkräfte, nach der vierten Stunde auf dem Pausenhof. Gemeinsam ging es zunächst per Drahtesel zur Süderoogabgangsstelle, wo uns Postbote Knud Knudsen bereits mit freundlichem Lächeln erwartete. Ein uriger Typ, genauso wie man sich als „Zugereiste“ einen Wattführer oder Halligpostboten eben vorstellt: sonnengegerbtes Gesicht mit strahlenden Augen, in kurzer Hose und unbedingt barfuß. Mit Ausnahme, dass heute nicht die Zustellung der Post im Mittelpunkt stand, sondern unsere 6.5 km-Wanderung von Pellworm zur Hallig. Intuitiv fühlte ich mich sofort wohl und wusste, dass eine tolle Zeit vor uns lag.

Das Wetter war uns wohlgesonnen und es konnte losgehen. Natürlich ist es am schönsten, barfuß durchs Watt zu laufen und nachzuspüren, wie der weiche Schlick bei jedem Schritt zwischen den Zehen hindurch quillt. Auf längeren Touren kann es aber auch unangenehme Überraschungen geben. Um sich vor Schnittverletzungen von im Boden versunkenen Muscheln zu schützen, hatten sich viele Teilnehmer ausgestattet und ihre Beachies bzw. Wattschuhe übergezogen. Im Sinne von „Vorsorge ist besser als Fuß kaputt“, ging es schließlich los.

Flotten Schrittes ließen wir die Insel bald hinter uns und wanderten Richtung Süderoog, ein wunderbares Fleckchen Natur mitten im nordfriesischen Wattenmeer. Schnell bildeten sich viele kleine „Wandergruppen“. Es wurde erzählt, gelacht und erforscht. Nationalpark Wattenmeer – was ist das eigentlich? Als Insulaner kennt man sich natürlich aus, hat viel gehört und kann auf eigene Erfahrung zurückgreifen. Aber so genau? In Anlehnung an die Junior-Ranger Gruppe wurde die sechste Klasse unter Anleitung von Silke Koch mit Aufgaben bestückt, um ein „Großes Suchen“ durchzuführen. Die jungen Ranger sind schon tolle Typen, die das Wattenmeer noch einmal auf ganz besondere Art unter ihre Lupe nahmen. Etwas zu suchen, das nach Strand und Meer roch oder zu finden, was nicht ins Wattenmeer gehörte, waren nur einige Aufgaben auf dieser Wanderung, die mit Eifer gelöst wurden.

Paulsens pädagogische Vision und sein unerschrockener Einsatz, Kinder verschiedener Länder und aus allen Bevölkerungsschichten in Zeiten von Kriegsgräueln zusammenzubringen, ermöglicht uns bis heute die Durchführung unserer traditionellen Wattwanderung. Die Hallig Süderoog, nicht zuletzt wegen ihrer Geschichte als Ort internationaler Begegnung und Völkerverständigung interessant, wird von den beiden Halligbewohnern Nele und Holger bewirtschaftet. Küstenschutz, Gebäudeinstandhaltung und Naturschutz des Nationalparks gehören zu ihren Aufgaben. Als kleine Familie setzen sie den Fokus ihres anerkannten Arche-Hofs auf die Erhaltung alter Nutztierrassen und machen die Bewirtschaftung der Hallig zu ihrer Berufung mit Herzenssache.

Nach zweistündigem Fußmarsch wurden wir von den beiden mit Kuchen und einem Getränk auf der Hallig empfangen. Wunderbar, denn obwohl die Zeit wie im Fluge vergangen war, kam die kulinarische Stärkung genau zum richtigen Zeitpunkt. Spätestens beim Anblick des Schokokuchens tropfte wohl beim Letzten der Zahn. Bionade und Kuchen sorgten dafür, dass man geschrumpfte Energiereserven wieder auftanken und seinen Durst löschen konnte. Dank der hervorragenden Bewirtung auf Süderoog und der großzügigen Spende einer Dame war für alle und für alles gesorgt. Auch die Erwachsenen wurden bedacht, die nicht auf ihren „Bohnentraum“ verzichten mussten.

Während wir uns den leckeren Kuchen schmecken ließen, gab uns Nele einen Einblick in die interessante Geschichte des Eilands und erzählte vom nachhaltigen Leben auf der Hallig, wo die Gezeiten über den Tagesablauf bestimmen. Im Anschluss nutzen wir die Gelegenheit, um uns selbst auf der Hallig umzuschauen. Eine kleine Fotoausstellung in der Diele des Hallighauses und ein Ausstellungsraum unterm Dach erinnern an Paulsens Jugendarbeit, die im Geiste moderner Pädagogik fortlebt. Ein weiterer Magnet für alle Besucher war natürlich auch der Schutzraum, welcher Halligbewohnern Zuflucht bei einer Sturmflut bietet.

Auch heute bestimmten Natur und Gezeiten den Zeitpunkt unserer Rückkehr – viel Spielraum blieb da nicht. Voller neuer Eindrücke, gut erholt und doch viel zu früh, hieß es wieder Abschied nehmen, auch wenn die „Hallig der Herzen“ und zwei Stück restlicher Schokokuchen zum längeren Verweilen animierten.

Gestärkt durch Speis und Trank lud der sanfte Wind zum Aufbruch. Der Rückweg startete beschwingt, begleitet vom lustigen Gepiepse der Austernfischer und anderer Vögel, deren Zuordnung ich heute noch nicht vornehmen kann, mit Bitte um Nachsicht (* Nein, Möwen waren es nicht, die kenne ich.).

Wieder fühlten wir das Watt unter den Füßen und der Blick schweifte in die Ferne. Irgendwo da drüben lag Pellworm und das war unser Kurs. Während sich wieder Wandergrüppchen bildeten, erfuhr ich über Pazifische Austern, die ich nicht nur in Australien, sondern auch auf Pellworm finde. Außerdem hörte ich zum ersten Mal vom sogenannten Queller, einem Gras, welches man sich angeblich in den Salat schnippeln kann. Aus sicherer Quelle soll dieses lecker und gesund sein. Sicherlich Geschmackssache, aber ich versprach mir selbst, es unbedingt auszuprobieren.

Die Gruppe war im Wandermodus. Anzeichen von Müdigkeit machten sich inzwischen bei dem einen oder anderen breit. Doch jetzt hieß es Strecke machen, die Nordsee wartete nicht. So hing jeder seinen Gedanken nach und mit jedem Schritt näherten wir uns unserem Ziel. Endlich! Bereits von Weitem konnten wir die Wartenden ausmachen. Eltern, die Ausschau hielten, um ihre Schützlinge wieder in Empfang zu nehmen. Ob müde oder hungrig, ein Tag voller Bewegung an frischer Luft lag hinter uns. Alle hatten es geschafft! Nun war Erholung angesagt. Und wer weiß…vielleicht eine Extra-Portion beim Abendessen.

Ich bin dankbar für diese wunderbare Erfahrung. Das Herz ist leicht und der Kopf frei!

Grit Zimmer

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