Energiewoche 2022 Klimaschutz und Naturschutz – wie geht das zusammen?

Wie Krisen auch eine Chance bieten können

Die Klima- und Energiekrise wie auch das galoppierende Artensterben stellen Deutschland vor gewaltige Herausforderungen. Um die erforderlichen Ziele zur klimaneutralen Energieversorgung und Einhaltung des 1,5 Grad Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, müssen alle Arten regenerativer Energiegewinnung massiv ausgebaut werden. Hier ist in den letzten 10 – 15 Jahren vieles versäumt bzw. nur halbherzig und bei weitem nicht ausreichend verfolgt worden. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und der offensichtlichen Abhängigkeit von russischem Gas sind mutige Schritte zur Förderung des Ausbaus umso dringender geworden. Gut 50 Pellwormer:innen und Feriengäste waren am 14.8. der Einladung von Watt und Mehr in das Bürgerhaus gefolgt, um sich von Dr. Martin Altrock im sog. Oster- und Sommerpakte beschlossenen Gesetzesänderungen erläutern zu lassen. Dr. Altrock ist Partner einer großen Rechtsanwaltskanzlei und Experte für Energierecht. Er berät die Bundesregierung und konnte so quasi „aus erster Hand“ berichten, welche Änderungen und Ergänzungen vorgenommen wurden. Die Ziele wurden deutlich erhöht, so soll Windenergie bis 2030 um 115 GW Leistung (zuvor 71 GW), Solarenergie um weitere 215 GW (zuvor 100 GW) Leistung ausgebaut werden: Auch für Biogas ergeben sich deutliche Veränderungen. Der Focus wird nun weniger auf der Strom- als auf der Produktion von Bio-Methan liegen, welches in die Gasnetze eingespeist werden soll. Auch sollen die Genehmigungsverfahren deutlich vereinfacht und beschleunigt werden. Die zuständigen Behörden werden nun per Gesetz gezwungen, entsprechende Anträge beschleunigt zu bearbeiten. Die kommunale Beteiligung an Energieerzeugungsanlagen wird gefördert ebenso wie es für Bürgerenergiegesellschaften einfacher werden wird, eigene Wind- oder Solarparks auf die Beine zu stellen. Gleichzeitig sind alle Bundesländer verpflichtet, um die 2% ihrer Landesfläche für Energieerzeugungsanlagen auszuweisen. Dass dieser Ausbau (allein die Anzahl der Offshore-Windkraftanlagen soll um den Faktor 7 gesteigert werden) in Konflikt mit Natur- und Umweltschutz treten wird, ist offensichtlich. Herr Dr. Altrock stellte hierzu die entsprechenden Planungen und Regelungen vor. Nach langer Zeit der Stagnation scheint in Sachen Ausbau der regenerativen Energie und ernst nehmen der Klimakatastrophe nun vieles in Bewegung zu kommen, ohne dass der Naturschutz dabei auf der Strecke bleibt. Wer sich über genauer über die zahlreichen Veränderungen und neuen Planungen detailliert informieren möchte, findet den Vortrag von Dr. Altrock auf der Webseite von Watt und Mehr ( https://www.watt-und-mehr-pellworm.de/energiewoche-2022/ .)

Dr. Martin Altrock

Am darauffolgenden Montag trafen sich zahlreiche Interessierte mit der Landtagsabgeordneten der Grünen Silke Backsen und dem Geschäftsführer der Pellwormer EnergieErzeugungsgesellschaft Kai Edlefsen an der Pellwormer Inselmühle im Bupheverkoog. Neben Erläuterungen zur Funktionsweise einer Windkraftanlage, dem Energiekonzept für die Insel Pellworm diskutierten beide die Möglichkeiten zum Ausbau regenerativer Energie wie auch die Begrenzungen, die aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes geboten sind.

Kai Edlefsen und Silke Backsen

Henning Clausen stellte am Dienstag die Pellwormer Biogasanlage vor und diskutierte mit interessierten Gästen die Bedeutung, die Biogas im Rahmen der zukünftigen Energieversorgung haben wird. Die Bundesregierung sieht hier einen weiten Ausbau insbesondere zur Versorgung mit Bio-Methan vor. War bisher eine umfassende Nutzung energiereicher Abfallstoffe (Biotonne/Klärschlämme etc.) zu Teil gesetzlich ausgeschlossen, werden sich in Zukunft Möglichkeiten für eine energetische Kreislaufwirtschaft ergeben. Pellworm verfügt über kein Erdgasnetz, in das Bio-Methan eingespeist werden könnte, denkbar wäre allerdings, ein Mikro-Gasnetz aufzubauen, um beispielsweise Tammensiel und Ostersiel mit klimaneutralem Gas zur Wärmeerzeugung zu versorgen.

Am Mittwoch hatte sich der Energiewende und Klimaschutzminister des Landes Schleswig Holstein Tobias Goldschmidt auf den Weg gemacht, um gut 50 Zuhörer:innen die Planungen für Schleswig Holstein vorzustellen. Der für einen engagierten Arten- und Klimaschützer sicherlich nicht leichte Schritt, den Ausbau regenerativer Energien zum Teil auch zu Lasten des Naturschutzes zu fördern wurde von Minister Goldschmidt transparent und nachvollziehbar vorgestellt. Aúch wenn Schleswig-Holstein bereits jetzt eine führende Rolle bei der Nutzung regenerativer Energien einnimmt, ist ein weiterer Ausbauten erforderlich. Es sei eine offene, ehrliche und konstruktive Auseinandersetzung erforderlich, bei der es keine Denkverbote geben dürfe, erforderlich, so dass alle sich mitgenommen fühlen auf dem Weg in eine klimaneutrale und Naturschutz freundliche Zukunft. Die Herausforderung war ebenso spürbar wie das Engagement, mit dem diese Aufgabe seitens des Ministeriums und der gesamten Landesregierung in Angriff genommen wird. Die anschließende engagierte Diskussion machte deutlich, wie sehr das Thema die gesamte Zuhörerschaft bewegt und welche Sorgen mit Blick auf die Zukunft bestehen.

Minister Tobias Goldschmidt

Den Abschluss der Energiewoche bildete eine Fahrradtour „mit Energie und Ausdauer“ zu den unbekannten Seiten Pellworms. Doris Ehlers führte die Radler-Gruppe   zu Orten auf der Insel, die auch vielen Pellwormer:innen nicht so bekannt sind.  Am Solarfeld stellte Werner Wulf zunächst die Geschichte und die Entwicklung der regenerativen Energie auf Pellworm vor, die ja ganz eng mit der gesamten Entwicklung in Deutschland auf diesem Gebiet verknüpft ist. Danach ging es zu verschiedenen Informationspunkten in den Norden unserer Insel, und auch Besonderheiten „am Wegesrand“ wurden erläutert.

Wie in den Vorjahren war die Energiewoche 2022 ein Highlight für alle Klimaschutz- , Energie- und Naturschutz begeisterten: Auch wenn wir derzeit in bewegten und unsicheren Zeiten leben zeigte sich doch, dass auch den aktuellen Krisen eine große Chance innewohnt, die Klimakrise zu bewältigen und Natur- und Artenschutz voranzubringen

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