Seenotrettungskreuzer H.-J. KRATSCHKE der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbruechiger (DGzRS)
Die Nabelschnur – Ein Besuch auf dem Seenotrettungskreuzer „Eiswette“

Pellworm ist auf vielfältige Weise mit dem Festland verbunden. Da ist die Fähre, die auch unter widrigen Umständen Menschen und Güter vom Festland auf die Insel und wieder zurückbringt, es gibt dicke Seekabel für Strom, eine Trinkwasserleitung und Richtfunkverbindungen, die die Verbindung zum  Festland sichern, auch Hubschrauber sorgen unter normalen Bedingungen für einen gesicherten Krankentransport.

Aber- wenn alles nicht mehr geht, bei Stromausfall, schwerstem Sturm oder Eisgang gibt es nur eine sichere Verbindung zum Festland und das ist der Seenotrettungskreuzer, auf Pellworm oft nur „Der Retter“ genannt. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), ausschließlich aus Spenden finanziert, kümmert sich seit 1964 mit ihren Rettungsbooten um die Insel, vor allem dann, „wenn nichts mehr geht“.

1964 Gründung der Seenotrettungsstation Nordstrand
Motorrettungsboot Horumersiel (Baujahr 1944)

1969 Großmotor-Rettungsboot, Hindenburg IV (Baujahr 1944)

1972 Erprobung des Seenotrettungsbootes Siegfried Boysen

1979 Seenotrettungskreuzer H.-J. Kratschke, Tochterboot Ludje (Baujahr 1969)

1996 Seenotrettungskreuzer Vormann Leiss, Tochterboot Japsand (Baujahr 1985)

2001 Neues Stationsgebäude auf Nordstrand

2009 Seenotrettungskreuzer Eiswette, Tochterboot Novize (Baujahr 2009)

In Zeiten, wo nahezu ständig ein Rettungshubschrauber für dringende medizinische Einsätze zu Verfügung zu stehen scheint und Starts und Landungen für viele schon fast alltäglich sind, kann man sich kaum vorstellen, dass es vor nicht allzu langer Zeit noch anders war und wir auch heute immer wieder auf andere Rettungswege angewiesen sein können. In den früheren Eiswintern kam der Seenotrettungskreuzer auch als Eisbrecher für unsere Fähre zum Einsatz. Das erste 1964 auf der damals neu gegründeten Seenotrettungsstation Nordstrand in Dienst gesetzte Rettungsboot war noch in den Kriegszeiten gebaut und aus Holz. Ab 1969 kam das Groß-Motorrettungsboot Hindenburg IV, welches seit 1981 im Schifffahrtsmuseum in Kiel zu besichtigen ist, zum Einsatz. Von 1979 für die folgenden 17 Jahre war der Seenotrettungskreuzer H.J. Kratschke im Einsatz. 1996 folgte der Seenotrettungskreuzer Vormann Leiss und seit 2009 ist der Seenotrettungskreuzer Eiswette auf Nordstrand stationiert.

Seenotrettungskreuzer H.-J. KRATSCHKE der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbruechiger (DGzRS)

Im Laufe der zurückliegenden fast 60-jährigen Geschichte der Station Nordstrand hat die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger wie auf allen anderen Stationen ihre Rettungsboote ständig den steigenden Anforderungen angepasst. Die DGzRS selbst konnte 2015 auf eine erfolgreiche 150-jährige Geschichte zurückblicken. Die medizinische Ausrüstung wurde ausgebaut, die Boote verstärkt und umgebaut. So verfügt die Eiswette neben anderen Neuerungen über einen speziell für medizinische Notfälle ausgerüsteten Raum.

In den Anfangsjahren waren auf den Seenotrettungsbooten und -kreuzern der Station Nordstrand Freiwillige tätig. Dank des unermüdlichen Einsatzes von Ille Paulsen führte kam mit Indienststellung des Seenotrettungskreuzers H.J. Kratschke eine feste, von der DGzRS bezahlte Mannschaft hinzu. Diese Mannschaft wird weiterhin von Freiwilligen unterstützt. Am Rande sei erwähnt, dass die DGzRS sich ausschließlich aus Spendengeldern finanziert.

Bis zur festen Stationierung eines Rettungshubschraubers der DRF in Niebüll war der Seenotrettungskreuzer oft die einzige Möglichkeit, schwererkrankte Patienten oder auch Gebärende sicher zum Festland zu bringen, wenn selbst die Fähre nicht mehr fährt. Neben den erforderlichen seemännischen Fertigkeiten verfügt die Besatzung auch über eine Ausbildung für medizinische Notfälle.

Heute erhalten angehende Seenotretter eine strukturierte Ausbildung. Diese umfasst die Ausbildung zum Rettungssanitäter, Maschinenkenntnisse sowie eine Zusatzqualifikation in Nautik und erfolgt unter anderem im Trainingszentrum der DGzRS in Neustadt. Dort werden neben Basisfertigkeiten auch besondere Manöver wie „Mann über Bord“, Versorgung von unterkühlten Patienten, Bergung von Verletzten in brennenden Schiffen etc. geübt.

Über die Seenotretter

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ist zuständig für den Such- und Rettungsdienst auf Nord- und Ostsee. Mehr als 1.000 Seenotretter sind auf 60 Rettungseinheiten Jahr für Jahr rund 2.000 Mal im Einsatz – rund um die Uhr, bei jedem Wetter, finanziert ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen. Seit der Gründung 1865 hat die DGzRS rund 86.000 Menschen aus Seenot gerettet oder Gefahr befreit. Schirmherr der Seenotretter ist der Bundespräsident.

Mensch-ueber-Bord-Uebung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbruechiger (DGzRS)

Seit 2014 ist Ernst Dostal der 1. Vormann der Eiswette. Unterstützt wird er von Norman Fleming, Timm Tummers, Chris Erbacher, Jörg Bollnow, Stefan Boeck, Klaus Nissen und den Freiwilligen.  Pellworm erinnert sich gerne an den im vergangenen Jahr verstorbenen 2. Vormann Stefan „Stievi“ Paulsen, der in die Fußstapfen seines Vaters Ille Paulsen getreten war, sowie an Hans Jürgen Hansen, der leider kurz nach Verabschiedung in den Ruhestand verstarb. Pellworm ist den aktiven bzw. inzwischen im Ruhestand stehenden Seenotrettern der Station Nordstrand zu großem Dank verpflichtet.  Die Zusammenarbeit ist, trotz der heute strukturiert (und nicht auf dem kleinen Dienstweg) erfolgenden Alarmierung unkompliziert. Die Seenotretter sind stets bereit, auch einmal unkonventionelle Wege zu gehen.  Über die Jahre ist ein vertrauensvolles Verhältnis entstanden, dass allerdings von Pellwormer Seite auch gepflegt werden sollte.

Krankentransporte gehören nicht zu den satzungsgemäßen Aufgaben der DGzRS, dennoch stehen die Seenotretter immer wieder auch dafür zur Verfügung. Vormann Ernst Dostal bedauert ein wenig, dass der Kontakt zu Pellworm durch eher selten gewordene Krankentransporte von Pellworm zum Festland etwas lockerer wurde. Aber unabhängig davon bleibt der Seenotrettungskreuzer oft der letzte Notnagel in schwierigen Situationen, gerade dann, wenn witterungsbedingt weder DRF noch SAR-Hubschrauber (bei Eisregen) zum Einsatz kommen können, medizinische Umstände einen Transport mit dem Hubschrauber nicht möglich machen oder aus anderen Gründen diese Transportmittel nicht zur Verfügung stehen.

Die Rettungskreuzer und ihre Besatzungen könnten eine Menge Geschichten erzählen, die sich zwischen Pellworm und Nordstrand oder auch auf dem Rückweg ereignet haben.
Da gab es neben anderem auch Geburten mitten im Heverstrom bei Windstärke 7. Ob dann in der Geburtsurkunde die Koordinaten, der Schiffname oder sogar das Standesamt Berlin I eingetragen worden ist, ist dann schon fast egal. Hauptsache Kind, Mutter, begleitende Ärzte und die Seenotretter haben den Einsatz unbeschadet überstanden.

Es gab manch brenzlige Situation zu meistern, denn die Witterungsbedingungen sind bei Einsatz des Seenotrettungskreuzers nicht immer die besten. Jeder Handgriff beim Patiententransport muss sitzen und immer wieder geübt werden, damit im Notfall alles reibungslos klappt. Dass dann auch der Arzt mal kräftig Wasser abbekommt und nurdie kräftigen Arme des Vormanns schlimmeres verhüten, davon zeugen nächtliche Fußspuren am Anleger.

Auch wenn es den meisten von uns nicht mehr so deutlich ist, aber wir können auf Pellworm nur mehr als froh sein, dass der Seenotrettungskreuzer und seine Besatzung ständig für uns parat stehen – neben ihrer eigentlichen Aufgabe, dem maritimen Such- und Rettungsdienst für Menschen in Seenot. Eine Selbstverständlichkeit ist das bei weitem nicht und wer dies anerkennen möchte und zu schätzen weiß, der nutzt die Sammelschiffchen der DGzRS in der Praxis und an anderen Orten auf der Insel oder überweist einen Betrag auf das Spendenkonto der DGzRS. Ganz leicht geht es über die Internet-Seite der Gesellschaft https://spenden.seenotretter.de

Uwe Kurzke

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